Urs Widmer – Erzählungen eines grossen Erzählers

«Wild Herbeigesehntes – frühe Erzählungen» <br>von Urs Widmer

April 2024. An der Kasinostrasse in Hottingen steht ein verwunschenes zweistöckiges Häuschen, umgeben von einem Garten, versteckt hinter einer Hecke. Dort schrieb ein «Zauberer», wie der Tagesanzeiger ihn einmal nannte, seine Geschichten – skurril-komische Erzählungen, immer auf der Schwelle zum Fantastischen –, die Tragisches wundervoll heiter einhüllen.

Zehn Jahre ist es her, seit Zürich und die Literaturwelt diesen bedeutenden Schweizer Schriftsteller verloren haben. Im Jahr vor Urs Widmers Tod fand mit der Autobiographie «Reise an den Rand des Universums» auch sein literarisches Schaffen ein Ende. Jetzt erinnert der Zürcher Diogenes Verlag mit frühen Erzählungen an ihn. Widmer vertraute Diogenes seinen Erstling «Alois» an und blieb dem Verlag bis zuletzt treu. Dieser versammelt in «Wild Herbeigesehntes» frühe Erzählungen, die zwischen 1968 und 1988 bei Diogenes erschienen sind – eine Erinnerung und Hommage an einen der ganz Grossen, zwischen leinengebundenen Buchdeckeln und mit goldgeprägten Lettern auf dem Buchrücken.

Dieses schöne Buch und auch alle anderen Erzählungen, Romane, Essays, Theaterstücke und Hörspiele von Urs Widmer können Sie bei uns ausleihen. Die «Reise an den Rand des Universums» finden Sie zudem in unserer Zürich-Präsenzbibliothek im Lesesaal. Informationen über Urs Widmer, zum Beispiel Nachrufe, haben wir in die Zürcher Bibliographie aufgenommen.

Köbi Robert ermittelt wieder

«Köbi der Held» von Stephan Pörtner

März 2024. Bereits auf den ersten Seiten spürt man den Groove von Köbi Roberts Leben und bald fasst der Protagonist in Worte, was die Leserinnen und Leser längst vermutet haben: «[…] ich wusste ja praktisch alles, was es zu wissen gab auf dieser Welt. Ausser wie man ein geregeltes Leben führte, Erfüllung fand und zu Geld kam.» Und so stolpert «Köbi der Held» dank einem Streifzug durch die Jelmoli-Sportabteilung in seinen ersten Auftrag als Privatermittler.

Der eine oder die andere weiss bereits, wie die Geschichte ausgeht. Denn «Köbi der Held» ist zwar eine Neuerscheinung, aber nicht ganz neu: Die Originalausgabe erschien 1998 im Zürcher Krösus Verlag und Autor Stephan Pörtner liess dem ersten Köbi-Abenteuer bald weitere folgen. Der Atlantis Verlag hat den ersten Fall nun neu herausgegeben, und für alle, die es packt, auch gleich den zweiten und dritten.

In den drei Kriminalromanen schildet Stephan Pörtner das Leben eines liebenswerten Tagediebs, zugleich zeichnet er ein Bild der Stadt Zürich und ihrer Bewohnerinnen und Bewohnern um die Jahrtausendwende. Wer nach den neuen Köbi-Bänden Lust auf mehr hat, findet in unserem Bestand natürlich auch den vierten, fünften und sechsten, erschienen im Zürcher Bilgerverlag.

Hans Grünauer – coming of age im 19. Jahrhundert

«Hans Grünauer» von Jakob Senn

Februar 2024. Das Leben, in das Hans Grünauer hineingeboren wurde, passt ganz und gar nicht zu ihm. Er will lernen, lesen, schreiben. Stattdessen ist nach fünf Schuljahren Schluss und Hans sitzt todunglücklich am Webstuhl. Ab und zu versucht er sich mit dem Leben als Heimweber abzufinden. Nur um sich am Ende doch wieder ein anderes zu erkämpfen.

Mit einer Prise Leichtigkeit und Humor erzählt Jakob Senn im 19. Jahrhundert von diesem Schicksal, das sein eigenes ist. Der autofiktionale Antiheld ist einem auch heute erstaunlich nah. So ist «Hans Grünauer» eine packende Coming-of-Age-Geschichte und im 21. Jahrhundert zugleich ein historischer Roman, der die Lebenswelt der Heimweberinnen und -weber im Zürcher Oberland authentischer nicht darstellen könnte.

Nicht nur uns, auch Gottfried Kellers «Grünem Heinrich» ist Hans Grünauer nah. Kellers Roman diente Jakob Senn als Vorbild und der Nachname Grünauer ist nicht zufällig gewählt. Bei der Erstausgabe von 1888 ging dieser Bezug mit dem Titel «Ein Kind des Volkes – Schweizerisches Lebensbild» verloren. Der Limmat Verlag stellt die Verbindung in der Neuauflage hingegen gleich doppelt her: Mit dem Originaltitel und einem Gottfried-Keller-Gemälde als Coverbild.

Andere Werke von Jakob Senn finden Sie ebenfalls in unserem Bestand, sogar die Zeitschrift «Grüne Wälder». Neben dem Buch wird sein 200. Geburtstags mit einer Ausstellung, einem Theaterstück und einem Film gefeiert.

Die Zürcher Nelkenmeister

«Die Zürcher Nelkenmeister» von Ulrich Gerster
Januar 2024. Zwei Nelken liegen vor einem jungen Mann auf der Erde, eine rote und eine weisse. Beim Jüngling handelt es sich wohl um den Zürcher Stadtheiligen Felix. Mit den zwei Nelken hat der Maler sein Gemälde signiert.

Wer sich hinter diesen zwei Blumen verbirgt, ist nicht klar. Fest steht hingegen, dass er nicht der einzige Künstler war, der statt seines Namens Nelken wählte. In Zürich gab es einen zweiten und einen dritten «Nelkenmeister». Waren sie Mitglieder einer Bruderschaft? Nutzten sie die Nelken als Warenzeichen? Das wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben.

Im Buch «Die Zürcher Nelkenmeister» geht der Kunsthistoriker Ulrich Gerster detailliert auf diese Künstler und ihr Werk ein. Das Einstiegskapitel bettet die Nelkenmeister in das Zürich ihrer Zeit um 1500 ein, ein Werkverzeichnis erlaubt eine Gesamtschau. Zusammen mit zwei älteren Monographien über die Fribourger und die Berner Nelkenmeister bildet das Buch eine umfassende Trilogie über die Nelkenmeister in der Schweiz.

Herausgegeben hat den Band die Gilde der Zürcher Nelkenmeister. Diese Vereinigung entstand in den 1980er-Jahren, als das eingangs erwähnte Nelkenmeister-Bild des jungen Mannes im Kunsthandel auftauchte. Eine eigens dafür einberufene Runde von Zürcher Zünftern ermöglichte schliesslich den Kauf des teuren Werks. Seither besucht diese Gilde der Zürcher Nelkenmeister einmal im Jahr ihr Nelkenmeisterbild im Kunsthaus.

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Header-Bild: Auf der Grundlage einer Postkarte des Zürcher Wappenlöwens beim Hafen Enge, um 1910 (ZB Zürich)