
Strategie 2024
«Die ZB als Kompass für den Umgang mit Wissen in der digitalen Welt»
Strategische Ausgangslage
Die traditionelle Aufgabe der Bibliotheken ist seit längerem im Wandel: Der Zugang zu Wissen stellt nicht mehr die grösste Herausforderung für die Gesellschaft dar, sondern der kompetente Umgang mit und die Orientierung in der unerschöpflichen Menge an Informationen und Wissen. Entsprechend muss sich die Rolle der Bibliotheken als wichtige Drehscheibe für Information und Wissen ebenfalls verändern. Mit ihrem weitgespannten Portfolio hat die Zentralbibliothek Zürich als eine der grossen Bibliotheken der Schweiz und als Kantons- und Stadtbibliothek am Bildungs- und Wissenschaftsstandort Zürich die Verantwortung, hier eine aktive und prägende Stellung einzunehmen. Gleichzeitig verändern sich die Nutzungsgewohnheiten und -bedürfnisse im Umgang mit Wissenssuche, -aneignung und -verarbeitung. Jüngere Generationen greifen auf andere Medien und Quellen zurück, als dies bisher üblich war. Youtube, Social Media, Wikipedia oder Google werden ergänzend oder sogar statt Büchern und Artikeln konsultiert. Hier verlieren Bibliotheken ihr Alleinstellungsmerkmal bei der Versorgung mit Information und Wissen. Im wissenschaftlichen Bereich zeigt sich, dass Forschungsprojekte immer komplexer werden und dabei der professionelle Umgang mit den Forschungsdaten zunehmend zur Voraussetzung für den Projekterfolg wird. Es braucht neue Lösungen für die Strukturierung, Publikation und Archivierung von Forschungsdaten und eine adäquate Unterstützung der Forschenden. Im In- und Ausland nehmen immer mehr wissenschaftliche Bibliotheken hier eine zentrale Rolle ein und positionieren sich als kompetente Partner der Forschung.
Unsere Vision
«Die ZB als Kompass für den Umgang mit Wissen in der digitalen Welt»
Mit dieser Vision drücken wir aus, dass wir prägend agieren und die sich abzeichnende neue Rolle frühzeitig mitgestalten wollen. Unsere gesellschaftliche Aufgabe in Bezug auf den Umgang mit Information und Wissen unter veränderten Rahmenbedingungen nehmen wir ernst. Wir betrachten es als wesentlich, dass die ZB als neutrale Institution, die aus ihrer Tradition heraus über die notwendige Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Stabilität verfügt, hier eine wichtige Stellung einnimmt und als «Kompass» wirkt. Diese Verantwortung gewinnt zusätzliche Bedeutung durch die strategische Kooperation mit der Universitätsbibliothek der Universität Zürich (UBZH), die 2022 ihren Betrieb aufnimmt. Das Ziel «Ein Bibliotheksangebot für die Angehörigen der UZH», das beide Institutionen verbinden wird, leitet die ZB auch in der Vision, die ihre Strategie 2021–2024 trägt. Wir verstehen das Engagement für gesichertes Wissen unter den Bedingungen der digitalen Welt als einen elementaren Baustein des gemeinsamen Auftrags, eine optimale, zukunftsorientierte Informationsversorgung für die UZH sicherzustellen.
Unsere drei strategischen Fokusthemen
Aus der strategischen Analyse haben sich drei Fokusthemen herauskristallisiert, welche die Strategie 2021–2024 im Kern beschreiben. Nach ihnen werden unsere Aktivitäten in den kommenden Jahren ausgerichtet. Entsprechend dienen sie als Leitplanken für Führungskräfte und Mitarbeitende. Die Fokusthemen stellen die angestrebte zukünftige Positionierung der ZB in den Vordergrund und sind bewusst visionär und ambitioniert. Sie beschreiben vielschichtige Herausforderungen, die auch noch unbekannte Seiten haben. Gemeinsam ist ihnen, dass sie eine grundsätzlich neue Herangehensweise verlangen. Wir gehen davon aus, dass die Umsetzung über die vorliegende Strategieperiode hinaus reicht, erste Projekte jedoch bis 2024 erfolgreich umgesetzt werden können. Besonders die ersten beiden Fokusthemen sind für den universitären Auftrag der ZB ebenso wie für die Rolle als Kantons-und Stadtbibliothek relevant. Die Strategie dient so allen institutionellen Aufträgen gleichermassen.
1. Fokus «Digital Literacy»
Das erste Fokusthema stellt die Fähigkeit der Nutzenden im Umgang mit Information und Wissen in einer digitalen Welt in den Vordergrund. Es geht hier weniger darum, dass die ZB zusätzliche Lernangebote im Umgang mit Datenbanken oder Suchportalen anbietet, sondern darum, neue, innovative Dienstleistungen aufzubauen, die den Erwerb von Kompetenzen für die digitale Wissensarbeit und ein autonomes Informationsverhalten effektiv und adressatengerecht unterstützen. Vor dem Hintergrund eines gewandelten Informationsverhaltens in breiten Schichten der Bevölkerung sehen wir hierin eine Aufgabe von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, welche die Rolle der ZB als Bildungsinstitution im Kanton und in der Stadt Zürich um eine wichtige Dimension erweitert
2. Fokus «User Experience»
Das zweite Fokusthema stellt die konsequente Orientierung an den Kunden in den Vordergrund. Um auch zukünftige Generationen als Nutzende gewinnen und halten zu können, soll das Suchen, Finden und Nutzen von Information markant vereinfacht werden. Die digitale Welt bietet ihrer Natur nach das Potenzial für vernetzte, intuitiv zu handhabende und bruchlose Informationsbeschaffung und -nutzung. Zugleich sind wir uns bewusst, dass es aufgrund vieler Abhängigkeiten nicht einfach sein wird, diese Qualität für unsere Kundinnen und Kunden in den Angeboten der ZB vollständig zu realisieren. Beispielsweise ist das Nutzungsverhalten bei extern lizenzierten Informationsprodukten oft vorgegeben und nur begrenzt beeinflussbar. Dennoch will die ZB auf das Ziel «möglichst rasches Suchen, Finden und Nutzen von Information» mit innovativen Lösungsansätzen hinarbeiten.
3. Fokus «Partnerin der Forschung»
Die ZB unterstützt bereits verschiedene Forschungsprojekte der Universität Zürich und anderer Hochschulen mit spezifischen Dienstleistungen. Sie verfügt über vertieftes Wissen und reiche Erfahrung etwa in der Digitalisierung von Quellen und im Umgang mit Metadaten. Auf dieser Basis wollen wir uns als Partnerin der Forschung – vor allem an der UZH, aber auch an anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Schweiz und international – weiteretablieren und unser Tätigkeitsfeld ausweiten. Orientiert an den Bedürfnissen der Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften, wollen wir die Ausrichtung des Wissenschaftssystems an den Grundsätzen von «Open Science» mit bedarfsgerechten Dienstleistungen und leistungsfähigen Infrastrukturen fördern, die dazu erforderlichen Fähigkeiten ausbauen und tragfähige Kooperationen eingehen.
Unsere fünf strategischen Handlungsfelder
Um die Umsetzung der Strategie voranzutreiben, konzentrieren wir uns in den nächsten vier Jahren auf fünf strategische Handlungsfelder. Sie helfen, den für die Verfolgung der oben genannten Fokusthemen notwendigen Transformationsprozess konkret voranzutreiben.
1. Dienstleistungsangebote für «Digital Literacy» ausbauen (Fokus 1)
Um die breite Öffentlichkeit von Stadt und Kanton Zürich genauso wie die Hochschulangehörigen zu befähigen, mit Informationen und Wissen in der digitalen Welt noch besser und effizienter umzugehen, wird die ZB bestehende Dienstleistungen ausbauen und neue schaffen. Die neuen Angebote sind im Rahmen der Umsetzungsphase auf der Grundlage von in den letzten Jahren eingeführten innovativen Produkten der Wissensvermittlung zu entwickeln. Bereits bestehende Dienstleistungen wie die individuelle Beratung und digitale Trainings werden erweitert und verstärkt. Hinzukommen sollen die gemeinsam mit der Universitätsbibliothek der UZH aufzubauenden Angebote im Rahmen der «Liaison Services» für Institute und Fakultäten.
2. Kundenbindung stärken, Informationszugang vereinfachen (Fokus 2)
Die bestehenden Kundensegmente und deren Nutzungsintensität wollen wir mit zwei Ansätzen erweitern: Einerseits soll der Bestandsaufbau noch nachfragegerechter werden, damit die Nutzung gehalten und möglichst gesteigert werden kann. So sollen zum Beispiel das Nutzungsverhalten vertieft analysiert und Medien verstärkt auch auf Veranlassung von Kundinnen und Kunden eingekauft werden. Stark nachgefragte Inhalte sollen möglichst in digitaler Form zur Verfügung gestellt und auch dem nicht-universitätsangehörigen Publikum zugänglich gemacht werden. Andererseits muss die Nutzerfreundlichkeit von Suchumgebungen, Präsentation und Zugriff weiter verbessert werden. Wie im Fokusthema «User Experience» definiert, soll das Suchen, Finden und Nutzen so einfach wie möglich werden. Damit einher geht, dass die Zeit zwischen Publikation und Verfügbarkeit in der Bibliothek so kurz wie möglich sein soll. Neben dem Bestand sind auch die weiteren Dienstleistungen am Massstab der konsequenten Kundenorientierung weiterzuentwickeln.
3. Neue Kundengruppen gewinnen (Fokus 2)
Wir sehen ein Potenzial, bisherige Nicht-Nutzende für die Angebote der ZB zu gewinnen, und denken dabei zum Beispiel an Kundensegmente wie das international geprägte urbane Milieu, Lehrpersonen, Personen in Aus- und Weiterbildung und «Lifelong Learners». Wir wollen systematisch herausfinden, wie solche Gruppen für die Nutzung der ZB motiviert werden können und ob es dafür Änderungen im Angebot braucht – Stichworte könnten nachfragegerechter Bestand, erweiterte Öffnungszeiten, individualisierte Services, attraktive Kulturangebote oder höhere Aufenthaltsqualität in der ZB sein.
4. Etablierung als Partnerin der Forschung (Fokus 3)
Die ZB verfügt über wertvolle Ressourcen und spezialisierte Kompetenzen, auf welche die Forschenden der UZH künftig noch stärker zugreifen sollen. Im gesamten Lebenszyklus eines Forschungsprojektes kann die Bibliothek punktuell oder umfassend unterstützen: von der Antragsentwicklung und der Ermittlung des Infrastrukturbedarfs über die Datengenerierung, -strukturierung und -kuratierung sowie die Nachhaltigkeitsplanung bis hin zur Beratung in rechtlichen Aspekten der digitalen Forschung. Die Entwicklung passgenauer Angebote wird die ZB in enger Kooperation mit der künftigen Universitätsbibliothek der UZH und den Forschungsakteuren vorantreiben. Zudem wird sie sich im Sinne eines partizipativen, gesellschaftlich offenen Wissenschaftsbegriffs für Citizen-Science-Projekte engagieren, dazu eigene Aktivitäten entwickeln und Partnerschaften suchen.
5. Positionierung als nationale und internationale Forschungspartnerin (Fokus 3)
Auch wenn die Beziehung mit der UZH im Zentrum steht und den grössten Teil der Forschungsdienstleistungen betrifft, steht die ZB auch als Partnerin für Forschungsprojekte der Geistes- und Sozialwissenschaften bereit, die an anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland beheimatet sind. Naheliegend ist dies insbesondere im Zusammenhang mit den Sammlungen und dem reichen unikalen Bestand der ZB. Doch auch bei anderen Themen mit Bezug zu Zürich und der Schweiz verfügt die ZB über eine Themenkompetenz, die stärker bekannt gemacht werden soll. Zudem wird sich die ZB für Kooperationen beim Aufbau von forschungsunterstützenden Infrastrukturen sowie bei der Entwicklung von Standards und Praxiskriterien für «digital scholarship» engagieren.
Das «Wie» der Umsetzung
Die beschriebenen Fokusthemen und Handlungsfelder erfordern einen Wandlungs- und Entwicklungsprozess, der bereits begonnen hat und die Bibliothek in allen Bereichen betreffen wird. Es braucht Antworten auf den stark veränderten Umgang mit Informationen und Wissen in der digitalen Welt, damit die ZB als öffentliche wissenschaftliche Bibliothek ihre Relevanz angesichts der digitalen Transformation festigen und stärken kann. Vier Grundsätze dienen als Basis für die Umsetzung der Strategie und sollen den erfolgreichen Wandel ermöglichen:
Kooperationen eingehen
Wenn immer möglich, sucht die ZB Partner, um grössere Projekte anzugehen. Wir sind der Meinung, dass in einer digitalen Welt nur noch gemeinsam und mit einer notwendigen kritischen Grösse agiert werden kann. Wenn es etwa darum geht, ob globale Grosskonzerne die Informations- und Wissensversorgung quasi alleine steuern, können dem Bibliotheken und Informationseinrichtungen nur zusammen ein wettbewerbsfähiges Angebot gegenüberstellen. Zugleich können privatwirtschaftliche Akteure in bestimmten Konstellationen aber auch zu Ermöglichungspartnern werden – auch dafür will die ZB sich öffnen.
Zusätzliche Kompetenzen aneignen
Viele bisher für den Betrieb einer Bibliothek verlangte Kompetenzen werden auch in Zukunft noch benötigt werden, doch werden sich die bei den Mitarbeitenden erforderlichen Profile zunehmend verändern. Dafür sollen die Fähigkeiten und Entfaltungsmöglichkeiten der an der ZB tätigen Personen gezielt weiterentwickelt und Tätigkeitsprofile neuen Anforderungen angepasst werden. Veränderungsbereitschaft soll gefördert und unterstützt werden. Darüber hinaus werden jedoch auch vollkommen neue Kompetenzen benötigt (etwa im Bereich User Experience), die auch durch Fachpersonen von aussen oder Quereinsteiger zu gewinnen sind. In anderen Institutionen und Branchen gesammelte Erfahrungen können für die Bibliothek wertvoll sein.
Organisation weiterentwickeln
Die aufgezeigte Strategie wird auch nach innen Veränderungen mit sich bringen. Wie bei allen sich in einem Marktumfeld bewegenden Organisationen, steht auch für die ZB die grösstmögliche Wertschöpfung für die Kunden im Zentrum: Werden wir als wertvoll wahrgenommen und stark genutzt, dann bleiben wir langfristig relevant. Die Organisation muss sich strukturell und prozessual darauf ausrichten, die optimalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, und den Wertschöpfungsgedanken in den Mittelpunkt stellen. Die Überprüfung der Organisationsstruktur an diesem Massstab und ihre Weiterentwicklung sind darum Bestandteil der Strategieumsetzung.
Konsequente Kundenorientierung
Die Strategie als Ganzes ebenso wie die einzelnen Themen und Handlungsfelder stellen den Nutzen für die Kunden in den Vordergrund. Dies soll auch explizit als Maxime der Strategieumsetzung dienen. Deshalb werden wir in Zukunft noch regelmässiger und intensiver mit unseren Kundinnen und Kunden sprechen, um ihr Nutzungsverhalten, ihre Herausforderungen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Auf dieser Basis können wir in allen Bereichen die Angebote entwickeln, die den grösstmöglichen Nutzen stiften.