Der Nachrichtensammler

Johann Jakob Wick (1522–1588), Porträtzeichnung von 1785. (Bild: ZB Zürich, Ms. F 108, Teil III, f. 6)

«Herr Hanns Jacob Wick, ein frommer, gelerter und zügsamer man».

Aus der Empfehlung für Wicks Wahl als zweiter Archidiakon am Grossmünster, 1557.

Johann Jakob Wick war ganz ein Kind der Reformationszeit: Als er 1522 in Zürich auf die Welt kam, breitete sich der protestantische Glaube aus. Der Stadtbub besuchte die Lateinschule im ehemaligen Kloster Kappel, wo Heinrich Bullinger unterrichtete, und am Fraumünster. Er studierte in Tübingen, Marburg und Leipzig Theologie und trat 1542 als 20-Jähriger seine erste Pfarrstelle in Witikon an. 1552 kam er als Pfarrer an das Spital zu Predigern in Zürich (am heutigen Standort der Zentralbibliothek), also mitten hinein in menschliches Elend.

Als zweiter Archidiakon und Chorherr am Grossmünsterstift begann er 1560 aktuelle Nachrichten aufzuschreiben. Er fügte Zeichnungen, gedruckte Flugblätter, Flugschriften (sogenannte Neuwe Zeytunge) sowie Briefe bei und füllte bis zu seinem Tod 1588 24 Bände mit rund 13’000 Seiten.

… und seine Informanten

Bericht von Johannes Haller über einen Bergsturz am 6. Juli 1564, der ein ganzes Dorf auslöschte. Die eindringliche Illustration wurde hochkant angebracht. (Bild: ZB Zürich, Ms. F 16, f. 155v–156r)

Nicht erst heute lieben es viele, News zu liken und weiterzuleiten. Auch Chorherr Wick konnte auf ein Netzwerk und diverse Kanäle abstellen. Man klopfte bei ihm an, wenn man etwas Interessantes zu erzählen hatte.

Sein wichtigster Informant war der Zürcher Reformator Heinrich Bullinger, der einen immensen Briefwechsel bis nach Italien, England und Osteuropa pflegte. Andere Chorherren, der Zürcher Arzt und Naturforscher Konrad Gessner, der Verleger Christoph Froschauer oder der kurpfälzische Politiker Graf Ludwig von Wittgenstein zählten zu Wicks Quellen. Protestantische Pfarrkollegen belieferten ihn mit Meldungen zu Ereignissen aus ihren Dörfern.

Um die Glaubwürdigkeit zu untermauern, wurden Zeugen oft namentlich genannt. So stützte sich etwa Pfarrer Johannes Haller, der per Brief über einen Bergsturz berichtete, auf zwei Augenzeugen und einen Berichterstatter, der drei Tage später am Unglücksort war. Auch Hörensagen galt als Quelle: «Es ist einer hier, der seither an jenem Ort war, wie mir der Vogt von Aigle, der ihn dorthin geschickt hatte, erzählte. Der sagte …»

Welche Künstler und Amateure die 1028 Federzeichnungen beisteuerten, ist erst zum Teil bekannt.

Ein multimediales Zeitzeugnis

«Ich habe in diesen Büchern auch deine Sorgfalt erkannt, die du beim Sammeln und Aufschreiben den denkwürdigen Dingen und Ereignissen entgegenbringst, die ins Gedächtnis zurückzurufen für jeden äusserst nützlich wäre.»

Ratsherr Johann Rudolf Wellenberg an Johann Jakob Wick, 1574.

Johann Jakob Wicks Chronik galt schon zu seinen Lebzeiten als bedeutend und wurde daher nach seinem Tod mittels Ratsbeschluss an die Stiftsbibliothek des Grossmünsters Zürich übergeben. Nach dessen Auflösung erwarb die Stadtbibliothek Zürich 1835 die Sammlung. Ein Band verschwand vorübergehend in Privatbesitz, fand aber im 20. Jahrhundert zu den anderen zurück. Aus konservatorischen Gründen werden die grossformatigen Einblattdrucke seit 1925 separat aufbewahrt.

«Bit üch, ir wöllen an diser arbeit nit erligen noch verdrossen werden, sonder fürfaren, dan daruß vyl nutz erwachsen wirt in kunfftig zyt.»

Der deutsche Chronist Gregor Mangolt an Johann Jakob Wick, 1570.

Auch im 21. Jahrhundert hat Wicks Nachrichtensammlung nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Sie gehört zu den beliebtesten Quellen der ZB Zürich – nicht zuletzt wegen ihrer expliziten Illustrationen mit Hexenverbrennungen und Folterszenen. Die Wickiana sind jedoch weit vielfältiger und vielschichtiger. In ihrer Kombination von Originalen und Abschriften, von Nachrichten, Notizen, Briefen, Drucken, Zeichnungen und Karten ergeben sie ein multimediales Zeitzeugnis, wie die nachfolgende Bildergalerie aufzeigt.

Prodigien – Winke Gottes

Neben Nachrichten zu den konfessionellen Spannungen und Religionskriegen – darunter antikatholische und antijüdische Pamphlete – nehmen Prodigien einen grossen Platz ein. Das sind Naturgeschehen und Wundererscheinungen, die als Winke Gottes gesehen wurden: monströse Wesen und Missbildungen, ungewöhnliche Himmelserscheinungen, Wetterkatastrophen, Seuchen. Es galt, diese Zeichen zu erkennen und einzuordnen. Wick dokumentierte auch ihre Folgen: Hungersnöte, Teuerung, Todesfälle. Manchmal notierte er eine Deutung, häufiger jedoch kapitulierte er:

«Was der Herrgott damit meint, weiss er allein, der wolle alles zum Guten wenden.»

Kommentar von Johann Jakob Wick im ersten Wickiana-Band.

Wick war weder Reporter noch Ethnologe. Er sammelte, was ihm zugetragen wurde, und kommentierte zurückhaltend. Die Wickiana sind in ihrer Fülle daher keine leichte Kost. Dies erkannte auch die Zürcher Obrigkeit und hielt die Bände nach 1588 im Grossmünsterstift unter Verschluss.

Chronik einer «trübseligen Zyth»

Insgesamt ergab sich das Bild einer «trübseligen Zyth», wie Wick auf dem Titelblatt seines ersten Bands notierte. Der Jüngste Tag und damit das Ende des damaligen Weltalters konnten nicht mehr weit entfernt sein. Die angemessene Reaktion angesichts dieser vor Augen geführten Zeitdiagnose hiess: kollektive Busse, Abkehr von sündhafter Lebensweise und Wandel im (reformierten) Glauben!

Damit lag der zutiefst subjektiven Sammlung des Chorherrn auch ein seelsorgerisches Anliegen zugrunde. Das grassierende Böse sollte blossgestellt, Gottes Eingreifen aufgezeigt werden. Schlagworte wie Aberglaube, Sensationsgier oder Sadismus greifen zu kurz.

Nicht fröhlichen Wintersport während einer Seegfrörni hielt der Illustrator fest, sondern Tod und Elend nach starkem Schneefall. 1571 ging als «Hungerjahr» in die Chroniken ein. (Bild: ZB Zürich, Ms. F 19, f. 191v)

Zürich by Wick

Johann Jakob Wick sammelte merk-, glaub- und auch fragwürdige Nachrichten aus ganz Europa, dem Russischen und dem Osmanischen Reich. Meldungen aus der Eidgenossenschaft, aus dem Deutschen Reich und aus Frankreich überwiegen. In unserem Zeitstrahl werfen wir einen näheren Blick auf zehn Zürcher Ereignisse, die Wick und sein Umfeld beschäftigten.

1546

Eine berühmte Zürcher Hexe

Am 2. März 1546 schrieb der Reformator Heinrich Bullinger an den Basler Pfarrer Oswald Myconius, dass Agatha Studler, eine «anrüchige Kirke» (Zauberin), mit dem Tod bestraft worden sei. Da sie um Gnade bat, wurde sie nicht verbrannt, sondern ertränkt. Die Illustration zeigt, wie sie in die Limmat geworfen wird.

Aus heutiger Sicht wurde der vermögenden, geschiedenen Stadtbürgerin vermutlich ihr freizügiger und extravaganter Lebensstil zum Verhängnis. Nach Anschuldigungen eines Bäckerpaars warf man sie in den Gefängnisturm Wellenberg und folterte sie, bis sie «gestand», andere Menschen vergiftet und verhext zu haben. Derlei Verleumdungen, Folterprozesse und Urteilsvollstreckungen sind leider ein düsteres Kapitel in der Zürcher Geschichte.

«Von einer verrümpten häxen, die Stuodlerin genampt, wie die zuo Zürich ertrenckt.» <br> (Bild: ZB Zürich, Ms. F 13, f. 90v–91r)

1562

Alles ist im Fluss

Zu den warnenden Winken Gottes zählten Naturkatastrophen wie Bergstürze und Überschwemmungen. Am 7. Juli 1562 trat frühmorgens die Sihl über die Ufer. Alle Dämme brachen, die Brücken von Adliswil und Leimbach wurden weggerissen, die gedeckte Brücke bei St. Jakob beschädigt und zum Teil fortgetrieben.

In der ganzseitigen Illustration ragt das Kirchlein St. Jakob aus dem Wasser, in dem auch die Holzbrücke, Vieh und nach ihren Sachen angelnde Menschen dahintreiben. Rechts aussen griff der anonyme Zeichner ein Detail der Nachricht auf: «Die Syl ab ist ein kuo geschwummen uff einer sarbach [Schwarzpappel], die hatt die kripff [Futterkrippe] am hals mitt iren gefürt.» Die Kuh konnte heil aus dem Wasser gezogen werden.

«Grose Wassergüse». <br> (Bild: ZB Zürich, Ms. F 14, f. 215r)

1566

Eine Prozession stürzt ein

Die Last der Kirchweih-Prozession war zu gross: Am 11. September 1566 stürzte die sogenannte Obere Brücke bei der Wasserkirche (später Helmhausbrücke / Münsterbrücke) ein. Acht Personen ertranken, darunter fünf Kinder. Der Einsturz war kein Einzelfall: Bereits am
4. Juni 1375 war die hölzerne Untere Brücke bei einer kirchlichen Prozession eingebrochen. Das erneute Unglück habe aber, so der reformierte Schreiber, die Obrigkeit nicht dazu bewogen, die «päpstliche» Kirchweih abzuschaffen.

Der Kommentar ist kurz, die Zeichnung hingegen wurde mit Sorgfalt und Vorstellungsvermögen ausgeführt. Das mächtige Schöpfrad und der Röhrenbrunnen sind erkennbar, im Hintergrund der Gefängnisturm Wellenberg und die hölzernen Palisaden gegen den See.

1581 notierte Wick ein weiteres Zürcher Brückenunglück.

«Wie sich ein groser unfal zuo Zürich an der kilwe zuogetragen und die oberbrugg yngefallen». <br> (Bild: ZB Zürich, Ms. F 17, f. 254v)

1570

Viel zerschlagenes Geschirr

Am 16. Juni 1570 scheute das Pferd von Jakob Kuster unter den Arkaden des Zunfthauses zur Zimmerleuten und demolierte mit seinem Fuhrwerk den Verkaufsstand eines Hafners. Der Geschädigte forderte umgehend 30 Gulden. Die zugezogenen Vermittler, Statthalter Wegmann und Landvogt Ziegler, gingen nicht auf seine Schadenersatzforderung ein, sondern gestanden ihm nur etwas mehr als die Hälfte zu.

Der Zwischenfall im Stadtalltag, in dem wir heute schwerlich eine Moral der Geschichte zu erkennen vermögen, beflügelte die Fantasie des Sammlers und des Illustrators. Dieser hielt hinter der Unfallstelle mit viel zerschlagenem Geschirr und aufgeregten Menschen auch die Ursache fest: Die Hochwasser führende Limmat hatte das Pferd erschreckt.

In der Sammlung Wickiana sind weitere Unfälle von Menschen und Tieren festgehalten.

«Wie ein furman under der Zimberlüthen stuben in die Häfen und Krüg gefaren, und was schadens geschen.» (Bild: ZB Zürich, Ms. F 19, f. 125v)

1571

Zürich sieht rot

Am 29. September 1571, dem Michaelstag, wunderte man sich in der Stadt Zürich über die Sonne. Morgens strahlte sie goldgelb, mittags wurde sie blutrot und schien in alle Stuben hinein, als ob an den Fenstern rote Wappenscheiben angebracht gewesen wären. Am Abend leuchtete sie weiss wie der Mond und schien zu erlöschen. Besorgt zählte Wick einige frühere unheilvolle Ereignisse auf, denen dasselbe Zeichen vorausging.

Der Illustrator versah den roten Planeten mit zwei Augen, einer Knollennase und vollen Lippen. Am Limmatufer gegenüber dem Fraumünster unterhalten sich vier Stadtbürger gestikulierend über das Spektakel. Solche Zeigefiguren waren auch in den gedruckten Flugblättern beliebt. Wick sammelte Berichte über weitere Himmelserscheinungen.

«Ein gross wunderzeichen an der sonnen gesähen». (Bild: ZB Zürich, Ms. F 19, f. 280v)

1572

Vom Blitz getroffen

Am 5. Mai 1572 schlug ein Blitz in den einen Turm des Zürcher Grossmünsters ein und setzte ihn in Brand. Zwar war der Schaden in nur einem Tag behoben, doch dass das Grossmünster – «das Epizentrum der Zürcher Reformation», wie Luca Beeler es nennt – vom Blitz getroffen wurde, konnte nicht als blosses Wetterunglück abgetan werden. Man vermutete auch hier Gottes Warnung oder Strafe; denn über Zürich soll damals ein unheilvoll blutrotes Sonnenrad erschienen sein.

Die figurenreiche Illustration erinnert an sogenannte Art Brut, die Erzählung, Ausdruck und Subjektivität den vorherrschenden künstlerischen Konventionen entgegensetzt.

Wick vermerkte immer wieder Blitzschläge und ihre gelegentlich verheerenden Folgen, die als Gottes Machterweis gedeutet wurden.

«Wie die Straal in den Münster thurn geschlagen und wie das selbig fhür gelöschen mitt der hilff und gnad Gottes.» <br> (Bild: ZB Zürich, Ms. F 21, f. 142v)

1579

Tödlicher Liebeskummer

Am 12. April 1579 stürzte sich der Gesandte des Erzherzogs Ferdinand von Tirol aus Liebeskummer aus einem Fenster des Gasthauses «Zum Schwert» in die Limmat und starb. Ausführlich schildert Wick diese Zürcher Herzenstragödie und wertet sie als weiteren Beweis der «trübseligen Zyth».

Während die Hausansicht mit dem überlangen Schwert wenig ambitioniert ausfiel und laut Josef Zemp nicht der Wirklichkeit entspricht, verweilte der Zeichner bei einzelnen Details: den Butzenscheiben, dem Faltenwurf im Nachthemd des kopfüber stürzenden Gesandten, dem Schöpfrad und der Bekleidung der drei Figuren auf der Brücke.

Die Sammlung Wickiana berichtet von weiteren selbst herbeigeführten Todesfällen (für starke Nerven).

«Von einem leidigen und erschrokenlichen unnfal der sich alhie Zürich am 12 Aprilis […] zum schwert zuogetragen». (Bild: ZB Zürich, Ms. F 28, f. 57r)

1581

Nächtlicher Spuk auf dem Kirchhof

Der Schreiber beteuert, das nächtliche Ereignis sei wahrhaftig in Zürich geschehen: Lichterhafte Gestalten versammelten sich zu einem Totentanz auf dem Kirchhof des Grossmünsters.

Der anonyme Illustrator hielt den Spuk für die Nachwelt fest: Am Himmel tanzen vier besonders helle Sterne und der Mond mit. Die ausgearbeitete architektonische Gestaltung des Grossmünsters scheint den Anspruch der Wahrhaftigkeit zu untermauern. Mit Sorgfalt hielt der Zeichner das Mauerwerk, den Obergaden, die um 1581 noch spitzhelmigen Kirchtürme und die frühere Freitreppe fest. Er dürfte einen Druck als Vorlage verwendet haben.

Die Sammlung Wickiana enthält weitere Gespenster-Berichte.

«Von einem Todten Tantz, der uff dem Kilchhoff zum grossen Münster warhafftig gesehen worden». (Bild: ZB Zürich, Ms. F 29a, f. 185v)

1585

Abendtrunk auf dem Limmatstein

Am 10. Februar 1585 feierten die Gerber und Metzger einen Abendtrunk auf dem Limmatstein, auch Metzgerstein genannt. Der grosse Findling gleich unterhalb der Rathausbrücke ragte bei Niedrigwasser als breite Felsplatte aus dem Wasser und gewährte, wie die Zeichnung zeigt, genug Platz für Tisch und Bänke.

Dank der Spendierlaune von fünf Bürgern und dem Wirt zum «Schwert» flossen die Weinbecher über.

Die Proportionen waren dem Zeichner unwichtig, dafür legte er Wert auf Details: das Fischerhüttchen mit seinen zusammenlaufenden Reusen, das Schöpfrad auf der Unteren Brücke, die Häuser an der Uferzone. Vor dem Richthaus arbeitet ein Gerber im Wasser.

Da der Metzgerstein die Schifffahrt behinderte, wurde er 1823 weitgehend zertrümmert und 1881 beim Brückenneubau ganz weggesprengt.

Namenliste der am Umtrunk auf dem Metzgerstein Beteiligten. (Bild: ZB Zürich, Ms. F 33, f. 24v)

1586

Beschäftigungsprogramm in Krisenzeiten

Die ganzseitige Zeichnung findet sich im zweitletzten Band, dessen Illustrationen Matthias Senn als künstlerisch besonders wertvoll erachtet. Die Stadt in der unteren Bildhälfte dürfte nach der Planvedute von Jos Murer (1576) gezeichnet worden sein. Die Dächer sind einheitlich zinnoberrot.

Man erkennt die Mühlen und Wasserräder in der Limmat, sogar den Röhrenbrunnen auf der Rathausbrücke. Der Gefängnisturm steht gefährlich nah an der Holzbrücke. Der Zeichner nahm es auch mit der Stadtmauer zwischen Augustinerkirche und Werkhof nicht so genau. Er liess Türme weg und überrascht mit einem mittigen Tor.

Zürich ist menschenleer, umso mehr ist am Berghang los: Der Weg nach Stettbach wird ausgebaut. Während der grossen Hungersnot bot der Strassenbau am Zürichberg etwa 300 Arbeitern eine Beschäftigung.

«Wie myn gnedig Herren zuo diser Zyt, als grose hungersnot, ein gross werch angesehen». <br> (Bild: ZB Zürich, Ms. F 34, f. 343r)

Wunderzeichenbücher als Textgattung

Am 28. Oktober 1582 sah man am Himmel über der Stadt Zürich und über Klingnau ein Feuerzeichen in Form einer Schlange. Heute würden wir solche Erscheinungen physikalisch erklären und einordnen. <br> (Bild: ZB Zürich, Ms. F 30, f. 283v)

Wicks «Wunderbücher», wie er sie selbst nannte, und seine Sammelleidenschaft sind einzigartig. Seine Beschäftigung mit ausserordentlichen Phänomenen, mit Prodigien und ihren Folgen stand jedoch in einer Tradition. Schon in der Bibel, in der antiken Geschichtsschreibung und im Epos spielten Wunderzeichen eine Rolle: der Regenbogen nach der Sintflut, der brennende Dornbusch, die zehn Plagen Ägyptens, der Stern von Bethlehem ...

Im krisengeschüttelten 16. Jahrhundert entstanden verschiedene Wunderzeichenbücher, darunter das Augsburger Wunderzeichenbuch, das 167 seltsame und furchterregende Ereignisse geradezu surrealistisch illustrierte. Wick kannte sicher die Kometen- und Gespenster-Aufzeichnungen des späteren Zürcher Antistes Ludwig Lavater und das 1557 in Basel veröffentlichte «Wunderwerck» von Konrad Lykosthenes, das Prodigien aller Art seit Erschaffung der Welt aufführte.

Weiterlesen – Recherchetipps

  • Findmittel: Auf swisscollections.ch sind sowohl die ganzen Wickiana-Bände als auch die einzelnen Illustrationen, die eingebundenen Drucke und die herausgetrennten Einblattdrucke recherchierbar.
  • Digitalisate: Die 24 (unter 25 Signaturen aufbewahrten) handgeschriebenen Bände mit eingebundenen Drucken und die herausgetrennten Flugblätter sind auf unserer Plattform e-manuscripta.ch vollständig zugänglich.
  • Editionen: Die hier verwendeten Übersetzungen aus dem Latein und Übertragungen ins heutige Deutsch stammen von Prof. Peter Stotz und aus der Wickiana-Edition von Matthias Senn.
  • Transkriptions-Tool: Helfen Sie mit, die Informationsfülle der Wickiana auf e-manuscripta.ch zu transkribieren!
  • Merkblatt: Wir haben für Sie Hinweise zur Recherche nach Bildern, Themen und Digitalisaten und eine Auswahl an Publikationen und Links zusammengestellt.


Monica Seidler-Hux, wissenschaftliche Mitarbeiterin Handschriftenabteilung
Oktober 2023

Header-Bild: Illustration einer Himmelserscheinung über dem Dorf Alt-Knin in der Nähe von Prag, 1580 (ZB Zürich, Ms. F 29, f. 172v)