Durchschlagender Erfolg: 12’500 Eintritte im ersten Jahr

Der Zirkus Aladin am Theaterspektakel (Bild: © Urs Siegenthaler / ZB Zürich, Bildarchiv des Tages-Anzeigers)

Im Sommer 1980 feiert das Zürcher Theaterspektakel Premiere. 17 Ensembles aus Europa, den USA und der Schweiz spielen während acht Tagen in drei Zirkuszelten auf der Landiwiese. Das Gründungsteam will etwas Neues erschaffen: Ein Festival, das sich vom klassischen Theaterbetrieb unterscheidet und auch internationalen oder unkonventionellen Kunstschaffenden eine Bühne bietet.

Mit diesem Ansatz trifft es den Nerv der Zeit und verkauft bereits im ersten Jahr 12’500 Eintrittskarten. Als Konsequenz wird das Theaterspektakel verlängert, zuerst um zwei weitere Tage im Folgejahr, dann noch stärker, sodass die Veranstaltung bis 1990 stets etwa zwei Wochen dauert. Am Ende des Jahrzehnts ziehen die Beteiligten im Sammelband «Spektakel» Bilanz.

Eine etablierte Grösse in den 90er-Jahren

Nur zehn Jahre nach der ersten Aufführung ist das Theaterspektakel bereits fester Bestandteil der Zürcher Kulturlandschaft. Die künstlerische Leitung entscheidet sich in den 90er-Jahren für aufwühlende Stücke aus Japan, Italien und Israel. Unter anderen spielt das Akko Theater Zentrum, ein alternatives israelisches Theater, in Zürich. Auch ein belgischer Tanzrevolutionär, osteuropäische Regietalente und – zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals – eine Gruppe aus der arabischen Welt treten am Theaterspektakel auf.

Mit dem grossen Zirkuszelt verschwindet ein Spielort aus der Anfangszeit von der Landiwiese. Aber zahlreiche neue kommen dazu, unter anderem die Saffa-Insel und ausgewählte Orte in der Stadt und darüber hinaus. So bespielt eine Theatergruppe den Bahnhof Wiedikon, eine andere die Synagoge Lengnau/AG und den Tunnel unter dem Hauptbahnhof.

Neue Spielorte im neuen Jahrtausend

Lesung auf der Landiwiese, im Hintergrund die Saffa-Insel mit der Seebühne (Bild: © Kira Barlach)

Mit der Seebühne, die auf der Saffa-Insel über dem Wasser liegt, erhält das Theaterspektakel 2002 ein neues Wahrzeichen. Ebenfalls neu: Die Bühne Nord mit 330 und die kleinere Bühne Süd mit 215 Plätzen, letztere befindet sich direkt am Seeufer.

Die Umgestaltung der Spielorte geht mit neuen Schwerpunktsetzungen im Programm einher. Viele junge Kunstschaffende aus dem nahen und fernen Osten, aus Afrika und Lateinamerika kommen hinzu, die in ihren Stücken die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern thematisieren. Zudem werden zahlreiche Produktionen aufgeführt, die im Schnittfeld unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen stehen – zum Beispiel musikalische Theaterdarstellungen oder Bühnenbilder, die stark von der bildenden Kunst beeinflusst sind.

Auch die freie Schweizer Theaterszene ist im neuen Jahrtausend stärker vertreten: So findet 2014 die Uraufführung von Milo Raus «The Civil Wars» statt, einem kritischen Stück über die politische Zukunft Europas.

Die Konstanten

Festival-Fotograf Christian Altorfer ist seit Beginn dabei und dokumentiert das Festival auch heute noch: Über 2000 Inszenierungen hat er abgelichtet, sein Archiv umfasst 30’000 Bilder – meist aus der Perspektive des Publikums aufgenommen. Sein Tipp an die Festivalgäste: «Hingehen und selber schauen, auch wenn’s regnet.»

Eine weitere langjährige Institution ist die Zürcher Buchhandlung sec52, welche das Festivalpublikum seit über 30 Jahren mit Literatur versorgt. Manchmal stehen der Buchhändler Ricco Bilger und sein Kollege Thomas Howeg bis nach Mitternacht auf der Landiwiese, in Gespräche über Literatur vertieft. Eine Festivalbuchhandlung für das Theaterspektakel zu eröffnen, sei nie geplant gewesen, sagt Bilger. Er sei vom technischen Leiter, Werner Hegglin, angefragt worden, welcher dem Publikum einen intellektuellen Mehrwert bieten wollte. Doch nicht nur die Besuchenden profitieren von dieser Konstellation: Ein bücheraffines Publikum zu treffen, das bereit ist, Literatur zu entdecken, macht für Bilger – nebst dem temporären Ortswechsel vom Kreis 5 an die Landiwiese – den Reiz des Theaterspektakels aus.

Ausblick: 2022

Publikumsmagnet Zentral (Bild: © Kira Barlach)

Der Generationenwechsel im Leitungsteam in den Jahren 2013 bzw. 2015 tat dem Erfolg des Theaterspektakels keinen Abbruch: Im Rekordjahr 2019 verzeichneten die Veranstaltenden 25’000 Ticketverkäufe für Theateraufführungen und über 150’000 Festivalgäste. Auch die Corona-Pandemie hielt den Theaterbetrieb bisher nicht auf – und für 2022 stehen die Daten schon lange fest: Das Theaterspektakel findet vom 18. August bis am 4. September statt.

Während 18 Tagen wird auf dem Gelände am Zürichsee ein Festival gefeiert, in dessen Rahmen einmal mehr Aufführungen unter freiem Himmel stattfinden und künstlerische Performances und Installationen auf verschiedensten Spielstätten gezeigt werden. Das Zürcher Openair-Festival ist nicht nur ein Stadtfest, sondern eine Kulturveranstaltung mit grossem Wirkungsradius – weit über Zürich hinaus.


Sharon Rom, Historikerin und Literaturwissenschaftlerin, wissenschaftliche Bibliothekarin in Ausbildung
August 2022


Header-Bild: Das Theaterspektakel 2019 (© Kira Barlach)