Ein Frauenbad im 21. Jahrhundert

Das Frauenbad am Stadthausquai, ohne Jahr (Bild: BAZ)

Eine Badeanstalt nur für Frauen? Heutzutage? In Zürich? Ja, klar. Die Frauenbadi ist hier so selbstverständlich wie der See und der Uetliberg. Aber einige Touristinnen und Touristen wundern sich wohl, wenn sie am Stadthausquai über der Eingangstür des Bads den Schriftzug «Frauenbad» entdecken. Beim Versuch hineinzugelangen merken Männer jedoch bald: Das ist ernst gemeint, kein Zutritt. Hin und wieder müssen die Bademeisterinnen tatsächlich einen Touristen wegweisen, der sich in die Frauenbadi verirrt hat.

Eingang zum Frauenbad am Stadthausquai

Die entspannte Atmosphäre, weniger Hemmungen, niemand pfeift einem nach, die Religion – den Zürcherinnen ist ihre Frauenbadi aus unterschiedlichen Gründen lieb. Im Büchlein «Baden gehen in Zürich» fasst Martin Walker das Verhältnis der Stadtbewohnerinnen und -bewohner zu ihrer Frauen- und Männerbadi ganz unaufgeregt zusammen: «Männer und Frauen badeten in Zürich lange Zeit getrennt – und schätzen es gelegentlich auch heute noch, wenn sie unter sich sein dürfen.»

«Badhaus für Frauenzimmer»

Früher schätzten die Zürcherinnen ihre Frauenbadi noch viel mehr als heute. Denn anfangs des 19. Jahrhunderts gibt es in vielen Zürcher Häusern keine Badezimmer und öffentliches Baden gilt als pöbelhaft und unanständig. Einige Frauen lassen es sich trotzdem nicht nehmen, nachts in den Brunnen zu baden. Der Wunsch nach einer sittengerechten Bademöglichkeit wird grösser. 

Als Antwort auf ein von vielen unterzeichnetes Memorial, heute würde es Petition genannt, lässt der Stadtrat 1837 schliesslich ein «Badhaus für Frauenzimmer» bauen. Es steht beim Bauschänzli in der Limmat und ist ein kleines Haus auf Pfählen, von aussen sieht man nicht hinein. Stephan Kaufmann zeigt in seiner Diplomarbeit über «See- und Flussbadeanstalten in Zürich» Planzeichnungen davon. Weil das Badehaus so beliebt ist, wird es bereits ein Jahr nach dem Bau erweitert.

Ein pittoreskes Kastenbad

Die Frauenbadanstalt Enge beim Belvoirpark, 1892 (Bild: Robert Breitinger)

Später gibt es in Zürich unterschiedliche Varianten von Badeanstalten exklusiv für Frauen, bis 1888 schliesslich beim Stadthausquai und beim Belvoirpark Frauenbäder gebaut werden, zwei Jahre später auch beim Mühlesteg. Letzteres ist für ärmere Bevölkerungsschichten gedacht, hier ist der Eintritt frei.

Bauarbeiten für das Frauenbad beim Mühlesteg, 1890 (Bild: Robert Breitinger)

Die damalige Frauenbadeanstalt beim Stadthausquai ist zumindest in den Grundzügen die Frauenbadi von heute. Die baulichen Veränderungen des Kastenbads widerspiegeln den gesellschaftlichen Wandel: Das Bad entwickelt sich vom öffentlichen Badezimmer, in dem sich die Frauen in Einzelbadekabinen zurückziehen können, zum heutigen Freizeitort mit grossen Liegeflächen und einem angebauten, vom Limmatquai aus gut einsehbaren Floss.

«Hauptportal und Eckpavillons mit ihren sanft geschwungenen Pagodendächern setzen malerische Akzente», vermerkt die Denkmalpflege im «Spezialinventar Bäder». Gemäss dem Schweizer Heimatschutz ist die Frauenbadi am Stadthausquai eines der «Schönsten Bäder der Schweiz».

Gleichstellungsfragen

Fotografien aus dem Inneren zeigen eine wunderschöne Badeanstalt, Besucherinnen erzählen von der angenehmen Atmosphäre – wird da nicht der eine oder andere, der nicht hineindarf, neidisch? Vor ein paar Jahren forderten zwei Zürcher Gemeinderäte den Stadtrat zu prüfen, ob er es für sinnvoll halte, die Frauenbadi auch für Männer zu öffnen.

Erfolg hatten sie nicht, das Frauenbad am Stadthausquai ist Frauenbad geblieben. Auch das Männerbad Schanzengraben gibt es noch, für Frauen bzw. Männer reservierte Bereiche und Zeiten in anderen Zürcher Badis ebenfalls.

Heikler sind die Themen Transgender und Intergeschlechtlichkeit. Reicht es, sich als Frau zu fühlen, um eingelassen zu werden? «Im Moment handhaben wir es in der Praxis so, dass Personen gemäss einem Ausweis oder einem vergleichbaren Dokument weiblich sein müssen», sagt Philipp Buchelt, Bereichsleiter Süd der Stadtzürcher Badeanlagen. Zum Glück können abends, wenn die Frauenbadi zur Barfussbar wird, alle möglichen Geschlechter das malerische Kastenbad geniessen.

Das Frauenbad Stadthausquai von innen, ein Bild aus dem Führer «Die schönsten Bäder der Schweiz» des Schweizer Heimatschutzes (Bild: Nina Baisch)


Übrigens: Im «Züribadibuch» erzählt Autorin Tina Schmid, dass früh am Sonntagmorgen jeweils Schwäne in einer Kolonne an der Frauenbadi vorbei die Limmat hinabschwimmen. Niemand wisse, wohin. Hoffentlich machen sie ihre geheimnisvolle Reise noch immer.


Stefanie Ehrler, Abteilung Turicensia
Juli 2021


Header-Bild: In der Frauenbadeanstalt Enge beim Belvoirpark (BAZ