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Mittwoch, 29. Juni 2022

18:15 Uhr

Hermann-Escher-Saal

Abendvortrag von Dr. Barbara Piatti im Rahmen der Summer School «Raum und Affekt. Einführung ins Text Mining literarischer Texte»

Ein sehr grosser Teil unserer Literatur, «a very large part of our writing is a story of its roots in a place: a landscape, region, village, city, nation or continent», notiert Malcolm Bradbury in seinem «Atlas of Literature» (1996). Diese Beobachtung trifft auf viele grosse literarische Stimmen bis in die Gegenwartsliteratur hinein zu. Immer wieder erscheinen unbekannte oder fiktive Schauplätze auf der «literarischen Landkarte» und verdichten so die spezifische Geografie der Literatur rund um bestehende «hot spots» wie berühmte Grossstädte und spektakuläre Landschaften. 

Literarische Schauplätze, so Heinrich Detering in seinem Buch «Herkunftsorte» (2001), sind «Orte auf einer halb realen, halb imaginären Landkarte. Auch wo ihre Namen identisch sind mit denen, die wir aus der realen Topografie kennen, gehören sie einer anderen Welt an; und gerade in diesen Fällen kann das Nachdenken über die Beziehung zwischen den beiden Schwindelgefühle auslösen.»

Mit genau diesen Schwindelgefühlen befassen sich die Literaturgeografie und die Literaturkartografie. Diese interdisziplinären Ansätze loten aus, in welchem spannungsreichen Verhältnis literarische Inspirationsorte von Autor*Innen und deren literarische Schauplätze stehen. Viele Texte lassen sich auf einer Skala topografischer und geografischer Referenzen anordnen: Manche Werke schildern Land- und Ortschaften so detailliert, dass man versucht ist, sich auf Spurensuche zu begeben. In anderen werden realreferente Orte umbenannt, ins Fantastische verfremdet. Zusammen ergeben sie einen anderen, zugegeben lückenhaften Atlas der Literatur. 

Der Vortrag präsentiert ausgewählte Visualisierungen und Interpretationen, zeigt Ideen und Visionen auf und skizziert, welche Forschungsfragen die Literaturgeografie noch nicht beantwortet hat, aber vielleicht beantworten könnte.


Barbara Piatti ist promovierte Literaturwissenschaftlerin mit einer eigenen Firma für Kultur-Projekte. Von 2006 bis 2014 war sie Forschungsgruppenleiterin an der ETH Zürich («Ein literarischer Atlas Europas»).


Bildlegende: © Basil Huwyler, Collage zu Barbara Piattis literaturgeografischen Forschungen

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